Monumental ragt sie in den Himmel und über den Marktplatz und ist als Wahrzeichen Hombergs von weit her sichtbar. Ihre Größe könnte als Hinweis auf ihre Bedeutung für den hessischen Protestantismus verstanden werden. Sie ist nicht nur eine Kirche, sie ist die Reformationskirche Hessens: die Stadtkirche St. Marien. Ein Besuch lohnt sich zur Zeit auf jeden Fall.
Schauplatz der Homberger Synode 1526
Denn in der Stadtkirche stand die Wiege der Reformation für die ganze Landgrafschaft Hessen. Hier fand 1526 eine Synode mit Landgraf Philipp dem Großmütigen statt. Den Wendepunkt für die Glaubenspraxis der hessischen Bevölkerung gegenüber dem Reich brachte der Reichstag in Speyer 1526. Er beschloss, angesichts der Türkengefahr, die Religionsfrage bis zu einem Konzil zu vertagen. Bis dahin sollte es jedem Fürsten erlaubt sein, nach seinem Gewissen zu handeln.
Philipp der Großmütige ergriff diese Chance. Er rief vom 21. bis 23. Oktober 1526 in Homberg eine Landessynode ein. Die Versammlung gilt als der Gründungstag der hessischen Landeskirche. Das Reformationsfenster in der Homberger Stadtkirche St. Marien zeigt noch heute die vier Reformatoren: Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin. Während der Synode stellte der südfranzösische Franziskanermönch Franz Lambert von Avignon Thesen zur Durchführung der Reformation in Hessen vor. Da er die deutsche Sprache nicht beherrschte, trug Adam Krafft den geladenen Ständen das neue Kirchenprogramm vor.
Die Stände setzten sich aus der katholischen Geistlichkeit, dem Klerus, sowie aus der Ritterschaft und Vertretern der Städte zusammen. Die Anwesenden stimmten seinen Ausführungen mit Ausnahme zweier Kritiker zu. Genannt wurde die Schrift zusammenfassend „Reformatio Ecclesiarum Hassiae“ (Reformation der Kirche Hessens). Die Beschlüsse gingen im Anschluss an die Synode in diese „Homberger Kirchenordnung“ ein. Diese sah einen Kirchenaufbau auf der Grundlage selbstständiger Gemeinden vor. Das Werk orientierte sich an den Vorstellungen der Schweizer und Oberdeutschen Reformatoren. Revolutionär und fortschrittlich für die damalige Zeit: Klöster wurden geschlossen, Schulen eingerichtet und damit Bildung für alle ermöglicht, Hospize und Krankenhäuser eröffnet und die Universität in Marburg gegründet.
Der vom Landgrafen um Begutachtung gebetene Martin Luther hielt sich im Zusammenhang mit dem Entwurf bedeckt. Sprach gleichwohl die Empfehlung aus, schrittweise („Denkzettel“) einzelne Neuerungen umzusetzen und die Reformation als lebendigen Prozess zu gestalten und dazu geeignete, dem Evangelium verpflichtete Prediger zu bestellen. Deshalb übernahm Philipp von Hessen das kursächsische Modell der landesherrlichen „Visitation“. Damit waren die Weichen für die hessische Reformation gestellt.
Die Anfänge des Kirchenbaus
Die Anfänge dieses kirchengeschichtlich so bedeutsamen Kirchenbaus aus dem 13. Jahrhundert liegen noch viel weiter zurück. Er gehört neben der Elisabethkirche in Marburg zu den wichtigsten gotischen Baudenkmälern im nördlichen Hessen, er hatte schon Vorgängerbauten einer fränkischen Kapelle, vermutlich vor 900, und einer romanischen Kirche um etwa 1000 v.Chr.. Im 12. Jahrhundert wurde eine romanische Basilika, oder eine frühe Hallenkirche, errichtet.
Die Umbauten gingen in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts munter weiter. Aus der Basilika wurde ein spätgotischer Um- oder Neubau als Hallenkirche hessisch-westfälischer Prägung vorgenommen. Die Eingangsportale der Kirche stammen von Tyle von Frankenberg, der in Frankenberg die „Liebfrauenkirche" reich ausgestaltet hat und die mit den Portalen der Stadtkirche eine hohe Ähnlichkeit besitzt.
1374 wurde der Turmbau begonnen. Während des Dreißigjährigen Krieges kam es nach der Besetzung durch die kaiserlichen Truppen unter Piccolomini 1640 zur Sprengung, Einsturz und Brand von Turm und Langhaus. 1645 bis 1746 wurde laut einer steinernen Tafel am Kirchturm oberhalb der Galerie die Kirche wiederhergestellt. 1709 wurde die Türmerwohnung errichtet. 1893 wurden Chorfenster mit Darstellung der Homberger Synode gestiftet und eingebaut. 1965 wurde nach Entfernung von Einbauten aus dem 17. bis 19. Jahrhundert (Gestühl, Kanzel, Emporen) der heutige Zustand hergestellt, weiter wurde in diesem Jahr der Sieben-Stationen-Kreuzweg installiert.
Im nördlichen Seitenschiff hängt ein barockes Kruzifix aus Franken mit dem gekreuzigten noch lebenden Jesus (crocefisso vivo). Es wurde von einem verstorbenen Homberger Unternehmer gespendet.
Das ganze Kirchenbauwerk zeigt starke bauliche Ähnlichkeiten mit einer der schönsten frühgotischen Kirchen in Hessen, der Elisabethkirche in Marburg. Das gilt vor allem für den hochaufragenden dreischiffigen Hallenbau, aber auch für Details und dem Maßwerk der Fenster.
So einen monumentalen und imposanten Eindruck dieses Kirchenbauwerks erwartet man als Besucher in der Kleinstadt Homberg nicht. Homberg war im Mittelalter jedoch mit zu Spitzenzeiten 4000 Einwohnern keine kleine Stadt, sondern eine florierende Handelsstadt mit allerlei Handwerksbetrieben und zur Zeit Phillips daher ein bedeutendes Handwerks- und Handelszentrum im nordhessischen Raum.